Wie du unabsichtlich dein inneres Kind zu deinem Tinder-Date mitnimmst
- Sara Stamm
- Jun 5
- 2 min read
(Und warum es beim zweiten Glas Wein beleidigt unter dem Tisch sitzt)

„Hallo, ich bin 38. Und das hier ist mein inneres Kind – nennen wir es Lotti.
Lotti weint, wenn du nicht zurückschreibst, und ist sofort beleidigt, wenn du auf dem Date nicht sagst, dass du sie hübsch findest.
Ach ja – Lotti war übrigens beim letzten Mal schuld, dass ich nach dem dritten Date heimlich geguckt habe, wann er zuletzt online war.“
Ich wollte nur ein Date. Aber dann kam Lotti.
Es beginnt harmlos.
Man swipet. Lächelt. Matcht.
„Ganz süss“, denkt der Erwachsene in dir.
Aber kaum schreibt er „Hey, wie geht’s?“, flüstert Lotti:
„Was meint er wirklich? Warum kein Smiley? Ist er vielleicht gar nicht interessiert? Oder liebt er uns schon?“
Du ignorierst sie tapfer – bis zur Verabredung.
Er kommt zu spät?
Lotti: „WIR SIND IHM NICHT WICHTIG!“
Er sagt nicht sofort, dass du gut aussiehst?
Lotti: „Wir sind hässlich. Verlass den Ort. Sofort.“
Beziehungstrauma zum Dessert
Wir denken, wir sind erwachsen.
Selbstbewusst. Reflektiert. In Therapie, mindestens einmal im Monat.
Aber dann sitzen wir beim Italiener, bestellen Burrata –und plötzlich ist da diese Stimme:
„Guck mal, er checkt sein Handy. Vielleicht schreibt er gerade mit einer anderen. Vielleicht liebt er uns nicht genug.“
Bäm. Willkommen im Nervensystem deiner Kindheit.
Dein inneres Kind will keine Dates. Es will Sicherheit.
Wenn du als Kind gelernt hast:
Liebe ist unzuverlässig
Nähe ist gefährlich
Du musst dich anpassen, um zu bleiben
...dann fühlt sich jedes Date wie ein kleines Überlebenscamp an.
Dein inneres Kind braucht keinen perfekten Mann.
Es braucht:
jemand, der bleibt, auch wenn du unbequem bist
Worte, die nicht rätseln lassen
Nähe, die nicht wegrutscht, wenn du dich zeigst
Nur: Ein Tinder-Date weiss das meist nicht.
Er denkt, du bist entspannt.
Dabei bist du innerlich damit beschäftigt, Lotti zu beruhigen, die gerade weint, weil er „coole Zeit mit dir“ geschrieben hat statt „Ich will dich heiraten“.
Was hilft?
Erkennen, dass du getriggert bist – nicht verlassen.
Ja, es fühlt sich an wie früher.
Aber heute bist DU da.
Du kannst die kleine Lotti in den Arm nehmen und sagen: „Ich bin bei dir. Egal, was er schreibt.“
Langsam machen.
Nähe braucht Zeit. Fürs Nervensystem, fürs Herz, für dich.
Und für Lotti sowieso.
Sagen, was du brauchst – auch wenn’s auf dich uncool wirkt.
Nein, du bist nicht zu viel. Du bist nicht zu bedürftig.
Du bist ehrlich und authentisch. Und das ist sexy + stark. Punkt.
Mein Fazit nach mehreren Dates, 1.367 Triggern und zu viel Burrata:
Wir alle tragen jemanden mit zum Date.
Ein früheres Ich, das sich sehnt.
Ein verletztes Ich, das noch zittert.
Ein starkes Ich, das trotzdem wieder liebt.
Und das ist okay.
Lotti darf mit.
Solange ich fahre.
🧡
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